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2 März 2022

Diversität und Integration

Demenzfreundliche Gesellschaft – wie Menschen mit Demenz als Teil einer diversen Gesellschaft akzeptiert werden und integriert bleiben könnten1

Von Christine Dahm-Mathonet, Direktionsbeauftrage Info-Zenter Demenz

Wir leben in einer doch eher „demenzunfreundlichen“ Gesellschaft. Unfreundlich deshalb, weil unser individuelles sowie kollektives Selbstverständnis und Streben größtenteils von der Vorstellung bestimmt wird, dass soziale Anerkennung durch Leistung und Konkurrenzfähigkeit verdient werden muss. Menschen, die jedoch in ihrer Leistungs- und Funktionsfähigkeit eingeschränkt sind, mit Gedächtniseinbußen leben müssen oder Hilfe benötigen, werden an den Rand gedrängt und nehmen häufig kaum noch am gemeinschaftlichen Leben teil. Insbesondere Menschen mit Demenz und ihre Familien geraten so in die Isolation oder ziehen sich aus Scham selbst zurück.
Meistens wird das Thema Demenz eher von einem medizinisch-pflegerischen Aspekt her betrachtet. Die sozialen und kulturellen Aufgaben und auch Chancen, die mit der Demenz einhergehen, werden kaum dargestellt.

Wie könnte eine demenzfreundliche Gesellschaft aussehen?

In einer demenzfreundlichen Gesellschaft sollte es sich für Menschen mit Demenz und deren Familien gut leben lassen. Das bedeutet, dass sie voll und gleichberechtigt an der Gesellschaft teilhaben können indem u.a. das Leben in dieser Gesellschaft, die Infrastruktur, Serviceleistungen und Angebote inklusiv und barrierefrei gestaltet sind. Dies allein wird jedoch nicht ausreichen, ein neues Miteinander, eine „Barrierefreiheit in den Köpfen“ zu schaffen. Dazu wäre nötig, einseitige Wahrnehmungen und Stigmatisierung des Themas Demenz und der Betroffenen aufzuheben und einen langfristigen Bewusstseinswandel anzustoßen. So wie wir begonnen haben, Straßen und Häuser physisch barrierefrei zugänglich zu machen, gilt es nunmehr, für Menschen mit Demenz den Zugang zum sozialen Miteinander „barrierefrei“ zu gestalten.

Dies ist auch ein Kerngedanke der UN-Behindertenrechtskonvention, die u.a. Menschen mit Demenz unter ihren Schutz stellt. „Behindert sein“ wird nicht als (physische oder psychische) Eigenschaft eines Menschen gesehen, sondern ergibt sich aus der individuellen Einschränkung wie auch aus äußerlichen Barrieren. „Behindert“ sind Betroffene erst, wenn sie auf Barrieren stoßen, die sie an der gleichberechtigten Teilhabe am gesellschaftlichen Leben hindern.
Das heißt auch, die Bedürfnisse von Menschen mit Demenz zu achten und ihre Potenziale und Ressourcen wertzuschätzen. Denn diese Menschen tragen, wie alle anderen auch, zur Vielfalt und zum Reichtum der Gesellschaft bei.

Bedürfnisse von Menschen mit Demenz

Die Betroffenen (und ihre Angehörigen) brauchen nicht nur gute medizinische und pflegerische Hilfe. Sie brauchen vor allem die Begegnung mit Menschen und Verständnis in ihrer Umwelt. Sie brauchen die Erfahrung in ihrer Nachbarschaft, in ihrer Gemeinde, auf ihrem Arbeitsplatz noch „dazu zu gehören.“ Hierzu braucht es neue und andere Formen des sozialen Miteinanders und der gegenseitigen Unterstützung.

Was bedeutet das konkret?

Auf dem Weg zu einer demenzfreundlichen Gesellschaft geht es nicht um mehr oder bessere medizinisch-pflegerische Versorgung, sondern vielmehr um längerfristige kollektive Veränderungen und die Entwicklung gesellschaftlicher Solidarität.

Jeder von uns, in seinem Privatleben und im öffentlichen Leben, sollte sich mit dem Thema Demenz und eventuell bestehenden Ängsten auseinandersetzen, sich in einem selbstverständlichen Umgang mit Menschen mit Demenz üben sowie die damit verbundenen Veränderungen akzeptieren.

Konkret könnte dies erreicht werden durch:

  • Sensibilisierung und Bewusstseinsbildung zu einem demenzfreundlicheren und respektvolleren Miteinander in der Öffentlichkeit, in Administrationen, in Unternehmen, usw.;
  • Förderung der Begegnung zwischen Menschen mit und ohne Demenz, z.B. in Kultur- und Sportvereinen, in Schulen, bei Veranstaltungen;
  • örtliche Rahmenbedingungen (z.B. Barrierefreiheit, technische Infrastruktur, analoge Alternativen/Ergänzungen zu digitalen Anlaufstellen, nachbarschaftliche Hilfen) bedürfnisorientiert gestalten.

Diversität & Vielfalt: Brücken bauen zwischen unterschiedlichen Lebenswelten.

Solche Initiativen tragen dazu bei, Barrieren und Voreingenommenheiten im Umgang mit dem Thema Demenz abzubauen und die Situation der Betroffenen im Alltag zu verbessern.

Denn für Menschen mit Demenz ist das Wichtigste, soziale Kontakte aufrecht zu erhalten. Und vor allem weiter akzeptiert zu werden und „dabei bleiben“ zu dürfen, wenn es mal nicht so gut läuft.

Konkret könnte das bedeuten, weiterhin auf seinem Arbeitsplatz (in einer angepassten Form) teilhaben zu dürfen, auch wenn Leistung und Konzentration nachlassen. Oder weiterhin in einem Kultur- oder Sportverein erwünscht zu sein, wenn das Verhalten sich verändert oder Gefühle überhandnehmen. Es sollte in Ordnung sein, wenn in einem Chor jemand anfängt zu weinen, oder wenn in einem Sportverein jemand die Spielregeln nicht mehr einhalten kann. Menschen – mit oder ohne Demenz – sind keine Roboter. Und gerade das macht die Vielfalt und Diversität des Zusammenlebens aus.

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