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14 September 2024

„Umarmungen machen meine Mutter froh. Ich spüre, dass es ihr gut tut und sie sich freut.“

Interview mit Suzette Roemer über die Begleitung ihrer an Demenz erkrankten Mutter

Von Christine Dahm-Mathonet, Direktionsbeauftragte Info-Zenter Demenz


Wer ist Suzette Roemer?
Suzette Romer (58 Jahre) wohnt in Wiltz und arbeitet in Diekirch bei einer Fiduciaire. Dreimal wöchentlich besucht sie ihre an Demenz erkrankte Mutter, die seit November 2020 im Pflegeheim Geenzebléi in Wiltz wohnt. „Für mich ist es wichtig, meine Mutter regelmäßig zu besuchen. Ich genieße jeden Moment, den ich mit ihr verbringe.“


Liebe Frau Roemer, erzählen Sie uns von Ihrer Mutter.

Vor vier Jahren, während der Coronazeit, ist meine damals 84 Jahre alte Mutter gefallen und hat sich dabei am Kopf verletzt. Sie musste operiert werden und blieb während drei Monaten im Krankenhaus. Daraufhin konnte sie nicht mehr nach Hause zurück, sondern kam ins Pflegeheim Geenzebléi in Wiltz. Dort wohnt sie in einer Abteilung für Menschen mit Demenz mit 14 anderen Bewohnern, die für sie wie Freunde oder Familie geworden sind. Sie vergönnt sich sehr gut dort. Ihre Demenz hatte wahrscheinlich schon Jahre vorher begonnen, aber ich hatte die ersten Anzeichen nicht wirklich bemerkt. Nach einer weiteren Operation hat sie dann ihre Sprache verloren und kann ihre rechte Körperhälfte nicht mehr gut bewegen, was ihr das Gehen schwer macht. Auch beim Essen und Trinken hat sie Schwierigkeiten.

Wie verständigen Sie sich mit Ihrer Mutter?

Meine Mutter kann nicht mehr richtig sprechen, nur die Wörter „Ja“ und „Nein“ sind klar verständlich. Ansonsten plappert sie vor sich hin, in ihrer eigenen Sprache, und ich verstehe doch
meistens, was sie mir sagen möchte. Ich stelle ihr nur einfache Fragen, die sie mit „Ja“ oder „Nein“ beantworten kann. Wenn ich sie manchmal nicht verstehe, dann wird sie ungeduldig und frustriert. Ich muss zugeben, dass ich mich damit schwertue, wenn ich ihre Sprache und Zeichen nicht deuten kann.

Und dennoch kann sich Ihre Mutter noch gut ausdrücken.

Wenn ich oder ihre Pfleger meiner Mutter alte bekannte Lieder vorspielen und sie mitsingt, dann sprudeln die richtigen Wörter klar und deutlich aus ihr heraus und sie bewegt sich im Takt. Das ist wirklich erstaunlich und beeindruckend. Oft kennt sie die Texte noch besser als ich. Ich konnte es zunächst nicht verstehen und wollte es nicht glauben, denn früher hat sie zwar Musik gehört, aber nicht dabei gesungen. Man hat mir jedoch erklärt, dass das oft bei Menschen mit Demenz der Fall ist. Wenn ich merke, dass meine Mutter irgendwo Schmerzen hat, dann berühre ich sie leicht an verschiedenen Stellen, damit sie mir bestätigen kann, wo die Schmerzen herkommen. Meine Mutter reagiert auch sehr gut auf basale Stimulation, die man ihr im Pflegeheim anbietet. Sie kann eigentlich kaum gehen, aber nach einer basalen Stimulation schafft sie es, zwar mit Unterstützung, den Weg zum Badezimmer zu gehen. Wenn ich, ein Pfleger oder jemand, der zu Besuch kommt, ihre Hand hält, packt sie fest zu und lässt sie nicht mehr los. Umarmungen machen sie auch froh. Man spürt, dass es ihr gut tut berührt zu werden und sie sich freut.

Was bereitet Ihrer Mutter Freude? Was berührt sie?

Im Pflegeheim werden meiner Mutter viele Aktivitäten angeboten und sie macht freudig mit: sie hilft beim Gemüse putzen, Suppe kochen oder backen, sie spielen Gesellschaftsspiele, singen gemeinsam oder machen Ausflüge. Da ist sie immer mit dabei. Und wenn sie auch nicht mehr selber mitbastelt sondern nur zuschaut, ist sie dennoch zufrieden. Ich zeige meiner Mutter gerne Fotos: alte Fotos von früher aber auch neue, die ich z.B. von einem Konzert, von Freunden, von ihrem Garten oder in der Natur gemacht habe. Ich erzähle ihr dann, was ich erlebt habe. Ich berichte ihr auch, welche Neuigkeiten es im Ort und in der Umgebung gibt oder was die Nachbarn machen. Das kriegt sie alles noch ganz gut mit und reagiert darauf. Sie erzählt dann in ihrer Sprache. Wenn ich sie dann manchmal falsch verstehe oder ihr falsch antworte, schaut sie mich ganz entgeistert an. Dann weiß ich, dass ich die falsche Antwort gegeben habe (lacht). Wenn sich meine Mutter Fotos von ihrem Haus ansieht, in dem sie früher gewohnt hat, dann kann es auch sein, dass sie weint. Das berührt sie. Auch als sie nach der Coronazeit mit Pflegern per Bus zu ihrem alten Zuhause gefahren ist und es von draußen gesehen hat, hat sie geweint. Aber als sie zurück im Pflegeheim waren und aus dem Auto gestiegen sind, hat sie die Hand der Betreuerin fest gedrückt und war sehr dankbar. Es hat ihr gut getan, ihr Haus nochmal zu sehen. Das hat sie bewegt. Wenn meine Kusine sie mit ihren Kindern oder ihrem Therapiehund besucht, dann ist sie auch froh und berührt.

Wie hat sich Ihre Beziehung zu Ihrer Mutter verändert?

Anfangs fiel es mir schwer, ihre Erkrankung zu akzeptieren. Ich sehe jedoch, dass meine Mutter entspannt und zufrieden ist. Das beruhigt mich sehr und hat mir geholfen, das Beste draus zu machen und meinen Frieden zu finden. Wenn ihr jedoch mal etwas nicht passt, dann macht sie sich schon bemerkbar (lacht). Ich genieße jeden Moment, den ich bei ihr bin. Und wenn wir auch einfach nur aus dem Fenster schauen, die Menschen draußen beobachten und sie ihnen zuwinkt, dann genieße ich das. Wenn es meiner Mutter gut geht, dann geht es mir auch gut. Sie weiß ganz genau, wann ich bei ihr bin und freut sich über meinen Besuch. Ich bin froh, dass sie zufrieden ist und noch einige glückliche Jahre leben kann. Ein Tag in der Woche, sonntags, ist jedoch „mein“ Tag, da mache ich das, was mir Freude bereitet und mich zurück ins Gleichgewicht bringt. Dann kümmere ich mich nur um mich, gehe schwimmen oder in die Sauna. Das ist mir wichtig, denn sonst würde ich das nicht schaffen. Anfangs hatte ich das unterschätzt und ich hatte mich, als Einzelkind für meine Mutter verantwortlich gefühlt.

Vielen Dank liebe Frau Roemer, dass Sie Ihre Erfahrungen so offen mit uns geteilt haben.

Am 24. September organisiert das Info-Zenter Demenz eine Konferenz zum Thema „Toucher et être touché(e) – le tactile et les émotions dans la démence“. Mehr Infos & Anmeldung hier.

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