Wie das Gehirn gesund und jung bleibt – bis ins hohe Alter
Täglich ein Sudoku lösen reicht leider nicht aus: Expertin Christine Dahm-Mathonet erklärt, wie man Alterskrankheiten wie Demenz vorbeugen kann.
Christine Dahm-Mathonet, wie bleibt das Gehirn bis ins hohe Alter fit?
Sie kennen sicher das alte Sprichwort „Mens sana in corpore sano“ („Ein gesunder Geist in einem gesunden Körper“). In der Prävention neurologischer Erkrankungen spielen körperliche und geistige Aktivitäten eine wichtige Rolle. Eine gesunde Ernährung, viel Bewegung, ausreichend Schlaf und der Verzicht auf Tabak wirken sich ebenfalls positiv aus. Auch sozial aktiv zu bleiben, fördert das Gedächtnis.
Man ist nie zu jung, um mit der Vorbeugung zu beginnen. Bei Demenzkranken beginnen die Veränderungen im Gehirn unbemerkt bereits zehn bis 20 Jahre vor dem Auftreten der ersten Symptome. Durch bildgebende Verfahren ist heute eine Früherkennung möglich.
Wir haben Klienten, die uns stolz erzählen, dass sie jeden Tag ihr Sudoku machen. Aber das reicht als Gedächtnistraining nicht aus. Es geht darum, dem Gehirn auch im Alter neue Herausforderungen zu stellen, zum Beispiel eine neue Sprache zu lernen oder ein neues Hobby zu beginnen. Man muss sich nur bewusst sein, dass das Lernen länger dauert als in jungen Jahren.
Was ist Demenz?
Demenz ist ein Oberbegriff für mehr als fünfzig verschiedene Krankheiten, die die Funktion des Gehirns beeinträchtigen. Der Begriff ist negativ besetzt, denn wörtlich bedeutet er „ohne Geist“. Fachleute sprechen daher eher von Vergesslichkeit oder kognitiver Beeinträchtigung. Die Alzheimer-Krankheit gilt als die häufigste Ursache von Demenz.
Demenz und Alzheimer sind in der Gesellschaft immer noch mit einem Stigma verbunden. Betroffene und ihre Familien ziehen sich oft aus Scham über die Krankheit aus dem gesellschaftlichen Leben zurück. Unsere Botschaft als Beratungsstelle lautet aber: „Verstoppt Iech net!“
Wir versuchen unseren Klienten zu vermitteln, dass es zum Beispiel immer noch möglich ist, mit einem Demenzkranken ins Restaurant zu gehen. Man muss nur vorher ein paar Dinge beachten: Um Stress für den Betroffenen zu vermeiden, sollte man einen Tisch in einer ruhigen Ecke reservieren und Stoßzeiten meiden. Die Person sollte nicht ständig in Richtung des Restaurantbetriebs schauen. Es ist wichtig, das Personal im Voraus zu informieren.
Menschen mit Demenz verlieren nach und nach Puzzleteile ihrer Identität. Im Anfangsstadium merken die Betroffenen, dass sich etwas verändert: Sie vergessen Dinge, die Konzentration lässt nach, man kommt nicht mehr so leicht durch den Alltag. Viele Patienten entwickeln daraufhin ein „Fassadenverhalten“: Sie täuschen ihrem Umfeld vor, dass alles in Ordnung sei. Der emotionale Leidensdruck ist anfangs sehr hoch und nimmt dann im Verlauf der Erkrankung ab, weil die Erkrankten einerseits eine Akzeptanz entwickelt haben oder andererseits nicht mehr wahrnehmen, was ihnen fehlt. Gleichzeitig steigt die Verlusterfahrung für die Mitglieder seiner Familie. Die Betreuung eines Angehörigen mit Demenz wird mit der Zeit immer schwieriger – und die Distanz zum Betroffenen immer größer.
In Luxemburg gibt es zahlreiche Betreuungsangebote für Menschen mit Demenz und ihre Angehörigen. Man muss sich nur trauen, diese Hilfe in Anspruch zu nehmen. Neulich war eine Frau bei mir im Büro, die ihren Mann seit sieben Jahren allein zu Hause pflegt. Weil sie ihm versprochen hatte, sich um ihn zu kümmern. Aber jetzt ist sie am Ende ihrer Kräfte und kann einfach nicht mehr. Wir sprachen der Frau unseren Respekt für ihre Leistung aus. Gleichzeitig gaben wir ihr zu verstehen, dass es nun an der Zeit sei, auch an sich selbst zu denken. Denn nur wenn es ihr selber gut geht, kann sie gut für ihren Mann sorgen.
„Emotionen sind die letzte Ressource von Menschen mit fortgeschrittener Demenz.“
Das Gedächtnis ist wie eine Bibliothek. Bei einer Demenz fallen als Erstes die „Bücher“ des Kurzzeitgedächtnisses weg. Erfahrungen aus der Kindheit und Jugend bleiben jedoch viel länger erhalten.
Emotionen sind die letzte Ressource von Menschen mit fortgeschrittener Demenz. Über sie kann man mit ihnen in Kontakt bleiben. Man schaut gemeinsam alte Fotos an oder spielt einen Schlager von früher – und plötzlich fängt der Kranke an zu singen, obwohl er eigentlich nicht mehr sprechen kann. Auch Gerüche bleiben lange im Gedächtnis. Das ist auch der Grund, warum in Pflegeeinrichtungen oft mit den Patienten gebacken wird, um positive Erinnerungen zu wecken.
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