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16 mai 2024

Aufmerksamkeit schenken – Ehrenamtliche begleiten Menschen mit Demenz

„Gemeinsam singen macht immer wieder Spaß und wir lachen sehr viel miteinander.“

Interview mit Henriette Schaeffer, die sich ehrenamtlich bei der Association Luxembourg Alzheimer asbl einsetzt.

Von Maiti Lommel, Koordinatorin des IZD

Frau Schaeffer, bitte erzählen Sie uns von Ihrem Ehrenamt im Wohn- und Pflegeheim „Beim Goldknapp“.
Seit ungefähr zehn Jahren gehe ich einmal die Woche in immer die gleiche Wohneinheit des Pflegeheims „Beim Goldknapp“. Es war mir von Anfang an wichtig, regelmäßig dieselben Personen zu begleiten, damit ich sie besser kennenlerne und auch sie mich besser wiedererkennen können. In dieser Wohneinheit leben zwölf Personen im Alter von Mitte 60 bis über 90 Jahren. Alle Bewohner sind an Demenz erkrankt. Einen davon kenne ich von Anfang an, er ist mittlerweile schon seit über zehn Jahren dort. Die anderen habe ich im Laufe der Zeit kennengelernt, es gibt natürlich regelmäßige Wechsel.

Wie beschäftigen Sie sich mit den Bewohnern?
Mit einigen kann man sehr viel unternehmen, sie sind noch ganz aktiv. Was immer funktioniert, ist singen. Eine Dame kann wirklich alles mitsingen, egal, ob es deutsche Schlager oder alte luxemburgische Lieder sind, sie erinnert sich an drei Strophen Text und hat viel Freude dabei. Gemeinsam singen macht immer wieder Spaß und wir lachen sehr viel miteinander.

Malen und basteln ist ebenfalls sehr beliebt und auch dabei singen wir gerne. Manchmal passen wir uns den Jahreszeiten an und basteln z.B. Masken für Karneval. Wir achten auf die Bewohner und basteln natürlich nichts zu kompliziertes, um niemanden zu überfordern. Einige Bewohner sind ganz begabt, sie malen und zeichnen noch sehr gut. Für andere ist es vielleicht etwas schwieriger. Es kommt letztendlich nicht so sehr auf das perfekte Resultat an, sondern vielmehr darauf, beschäftigt zu sein, und an der Gesellschaft teilzunehmen. Wir hängen die Basteleien dann auch auf – z.B. an den Weihnachtsbaum – und das bereitet ihnen viel Freude. Manchmal plaudern wir auch nur ein bisschen – über das Wetter, frühere Zeiten. Oder jemand erzählt einen Witz oder von einem Streich, den er früher gespielt hat.

Zur Karnevalszeit feiern wir hier einen Maskenball. Als einmal ein Walzer gespielt wurde und ich mit einer Dame ein bisschen hin und her getanzt habe, sagte sie plötzlich „Das hier ist ja ganz toll, aber jetzt bräuchte ich jemanden, der richtig mit mir tanzen würde“, und ich musste lachen. Bei gutem Wetter gehe ich mit den Bewohnern spazieren. Einige sind noch sehr gut zu Fuß, andere kommen im Rollstuhl mit. Dann ist es wunderbar, wenn die Bewohner aufleben und sagen: „Was ist das hier draußen so schön.“

Wie motivieren Sie die Bewohner, bei einer Aktivität mitzumachen?
Einige sind sofort motiviert, andere hingegen brauchen ein bisschen Zeit und kommen dann später von selbst dazu. Es gibt auch zwei bis drei Personen, die nicht mitmachen, weil sie entweder nicht mehr können oder weil es sie nicht interessiert − auch das wird natürlich respektiert.

Es gibt auch eine gewisse Gruppendynamik. Wenn ich frage: „Sollen wir spazieren gehen?“, dann höre ich: „Ja, ich komme mit.“ und oft schließen sich weitere Personen an: „Dann komme ich auch mit“.

Obwohl die Bewohner der Wohneinheiten selber kaum Initiative ergreifen, nehmen sie gerne teil, wenn man sie dazu anregt.

Haben Sie und die Bewohner sich mit der Zeit besser kennengelernt?
Am ersten Tag fühlte ich mich ein bisschen wie ins kalte Wasser geworfen, weil ich weder die Bewohner noch das Personal kannte. Ich wusste nicht so richtig wie, was und wo. Aber mit der Zeit ging das besser, und Berührungsängste sind sehr schnell verschwunden. Dadurch, dass meine Mutter an Alzheimer erkrankt war, wusste ich, dass man viel Geduld im Umgang mit Demenzkranken haben muss.

Wenn man die Bewohner besser kennenlernt, dann weiß man auch mehr über sie und kann auf Verschiedenes eingehen oder daran anknüpfen. Ein Bewohner ist früher viel gereist und seit ungefähr einem Jahr erzählt er mir jede Woche von neuen Reisezielen. Er erklärt mir, wie weit entfernt diese Orte sind und wie lange der Flug dorthin dauern würde. Ich frage ihn dann manchmal: „Wieso gehen Sie denn nicht hier oder dort hin, das wäre nicht so weit weg?“ „Nein, das interessiert mich nicht“, antwortet er dann. Eine solch lange Reise wäre jedoch für ihn unmöglich.

Merken Sie, dass Ihre Begleitung den Menschen mit Demenz guttut?
Ja, man merkt schon, dass es den Bewohnern guttut, wenn jemand mit ihnen plaudert und sich Zeit für sie nimmt. Es gibt hier z.B. eine Dame, die mich küsst, wenn ich komme und frage wie es ihr geht. Oder sie nimmt mich fest in den Arm. Dann merkt man schon, dass man akzeptiert ist. Und wenn ich beim Abschied sage: „Bis nächste Woche“, dann höre ich auch öfters: „Oh, erst nächste Woche? Kommen Sie jetzt nicht wieder bis in einer Woche?“ Wenn Angehörige von Bewohnern anwesend sind, dann schätzen auch sie die Arbeit der Ehrenamtlichen und helfen ab und zu mit, z.B. wenn wir basteln. Das Personal ist auch sehr dankbar, wenn wir Ehrenamtlichen für die Bewohner da sind. Manchmal ist keine Aktivität für die Bewohner vorgesehen oder das Personal kann sich nicht immer um jeden einzeln kümmern. Dann ist es schön, wenn zusätzlich jemand da ist, mit dem sie reden können.

Und was bedeutet das Ehrenamt für Sie persönlich?
Wenn ich abends nach Hause gehe, höre ich oft: „Vielen Dank für den schönen Tag!“ Das ist eine nette Rückmeldung. Dieser Dank tut mir besonders gut. Was auch schön ist, wenn ich selbst einmal nicht so gut in Form bin, vergesse ich das hier sehr schnell. Ich bin an dem Nachmittag nur für die Bewohner da und alles andere ist dann ausgeblendet. Es gibt mir Zufriedenheit zu sehen, dass ich den Bewohnern etwas Gutes tun kann und dass sie das genießen und schätzen.

Wer ist Henriette Schaeffer?
Henriette Schaeffer, 69 Jahre alt, kommt aus Wiltz und ist seit zehn Jahren im Ruhestand. Zuvor hatte sie in Wiltz ein Geschäft und wollte immer schon nach ihrer Pensionierung ein Ehrenamt ausüben. Ein solches Ehrenamt bei der Association Luxembourg Alzheimer asbl hat sie besonders interessiert, weil auch ihre Mutter an Alzheimer erkrankte, es jedoch zu der Zeit noch kein großes Hilfsangebot gab. Henriette Schaeffer ist mittlerweile seit rund zehn Jahren in der ehrenamtlichen Begleitung von Menschen mit Demenz tätig.

Association Luxembourg Alzheimer
Die Association Luxembourg Alzheimer (ala) ist ein Hilfs- und Pflegenetz welches sich auf die Betreuung demenzkranker Menschen spezialisiert hat. Die ala setzt sich für die Belange von Menschen mit Demenz und für deren Angehörige ein.

Weitere Informationen finden Sie unter ala.lu.

 

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