Für einen Augenblick ganz präsent sein
Ein Artikel von Christine Dahm-Mathonet, Direktionsbeauftragte des Info-Zenter Demenz
Im Rahmen der LUGA organisiert das Info-Zenter Demenz ab Mai 2025 Naturveranstaltungen für Menschen mit Demenz. Im Interview erklärt Karen Decker, warum begleitete Spaziergänge in der Natur auch für Menschen mit Demenz so wertvoll sind.
Wer ist Karen Decker?
Karen Decker, 45 Jahre alt, ist éducatrice graduée und hat u.a. chinesische Medizin studiert. Bereits seit ihrem 16. Lebensjahr beschäftigt sie sich mit dem Energiefluss im menschlichen Körper und der Frage, wie diese Energie spürbar gemacht werden kann – etwa durch Meditation oder Sportarten wie Tai Chi und Qi Gong. Im Jahr 2019 hat sie sich selbstständig gemacht, und im Jahr 2022 absolvierte sie an der Waldakademie des bekannten deutschen Försters und Buchautors Peter Wohlleben eine Ausbildung zur Waldführerin. Seither bietet sie u.a. Waldbaden sowie begleitete Spaziergänge in der Natur an. www.beschcoaching.lu
Die Natur ermöglicht es Menschen, wieder in Verbindung mit sich selbst zu treten. Ein Wald oder ein Garten bietet einen Raum, in dem unsere Sinne zur Ruhe kommen, ohne äußere Ablenkungen. Das sogenannte Waldbaden stammt ursprünglich aus Japan, wo man erkannte, dass eine ganze Generation überforderter Menschen anfälliger für Krankheiten und weniger leistungsfähig war – der Kontakt zur Natur half ihnen jedoch, ihr inneres Gleichgewicht wiederzufinden. Naturerfahrungen wirken sich in vielerlei Hinsicht positiv auf unseren Körper aus. Sie stabilisieren nachweislich den Blutdruck und die Herzfunktion, lösen Verspannungen, stärken das Immunsystem, verbessern die Schlafqualität und regulieren den Hormonhaushalt. Wenn ich mit Menschen – ob Kinder, Erwachsene oder ältere Menschen – in den Wald gehe, erlebe ich stets die gleiche erste Reaktion: ein tiefes Gefühl von Geborgenheit, Sicherheit und Entspannung.
Wie wirkt Natur auf Menschen mit Demenz?
Menschen, die in ihrer Kindheit viel Zeit draußen und in der Natur verbracht haben sind oft entspannter und entwickeln Erinnerungen, auf die sie im Alter, mit oder ohne Demenz, zurückgreifen können. Immer wenn ich ältere Menschen in der Natur begleite und wir uns Zeit nehmen, die Bäume und Pflanzen zu betrachten, anzufassen und zu riechen, erzählen sie mir von ihren Kindheitserfahrungen, an die sie sich wieder erinnern können. Heutzutage sammeln leider immer weniger Kinder solche Naturerfahrungen oder entwickeln sogar eine ängstliche Haltung gegenüber der natürlichen Umgebung
Was erwartet die Teilnehmer der begleiteten Spaziergänge?
Während der Spaziergänge im Sinnesgarten werden wir unsere Sinne schärfen, die Natur bewusster erleben, die besondere Umgebung der Bäume spüren und neue Energie tanken. Dafür ist es nicht zwingend nötig, barfuß zu gehen – es genügt bereits, einen Baum für eine Minute zu berühren oder die Erde mit der Hand zu fühlen. Als Waldführer begleite ich die Teilnehmer so, dass ihre Aufmerksamkeit ganz auf den gegenwärtigen Moment sowie auf ihre unmittelbaren Erfahrungen und Empfindungen gerichtet ist – ohne sich von Gedanken an Vergangenheit oder Zukunft ablenken zu lassen. Und selbst mit – oder trotz – Demenz ist es möglich, durch einen bestimmten Geruch, einen Blick oder eine Berührung für einen Moment ganz präsent zu sein.
Auch wenn diese Augenblicke mit fortschreitender Erkrankung allmählich seltener werden, genügen schon ein oder zwei davon, um der betroffenen Person eine wertvolle Glückserfahrung zu schenken. Bei diesen Spaziergängen geht es mir vor allem darum, Begleitpersonen und Angehörige aktiv einzubinden, damit sie ein wertvolles Werkzeug an die Hand bekommen, das ihnen zu Hause im Alltag hilft, die betroffene Person zu aktivieren und kostbare Momente zu schaffen. Sie sollen selbst die Erfahrung machen, wie wohltuend die Natur für Menschen mit Demenz ist und wie sie ihre Mutter, ihren Vater oder ihren Partner gezielt stimulieren und eine tiefere Verbindung zu ihnen aufbauen können.
Naturveranstaltungen für Menschen mit Vergesslichkeit und deren Begleiter/Betreuer: Im Rahmen der LUGA, welche von Mai bis Oktober 2025 stattfinden wird, bietet das Info-Zenter Demenz eine Reihe von Naturveranstaltungen für Menschen mit Demenz und deren Angehörige/Begleiter an. Die Teilnahme an den Workshops und Spaziergängen ist kostenlos, aber nur mit Voranmeldung möglich. Alle Veranstaltungen sind für Personen mit eingeschränkter Mobilität geeignet.
Für weitere Einzelheiten sowie Anmeldungen: www.demenz.lu/de/actualites/luga/
Dieser Artikel erscheint im Luxemburger Wort in der Serie „Demenz & Natur“. Weiterer Artikel zum Thema wird 26. April erscheinen.
Titelbild: Jeniska photography